Montag, 30. Januar 2023

Schriftliche Anfrage betreffend den Stichtag für den Eintritt in den Kindergarten

Der relative Alterseffekt spielt nicht nur im Sport, sondern auch in der Schule eine Rolle. So kann eine spätere Einschulung schulische Vorteile bringen und Chancen optimieren

Dieser Effekt ist zunehmend auch den Erziehungsberechtigten bekannt. Insbesondere bildungsnahe Eltern nehmen verstärkt die Möglichkeit der Rückstellung ihrer Kinder wahr, da sie sich damit eine erfolgreichere Bildungslaufbahn aufgrund des Entwicklungsvorsprungs erhoffen. So werden im Kanton Luzern beispielsweise, der dem HarmoS-Konkordat nicht angehört, gar 40% aller Kinder später eingeschult.

 

Die Auswirkungen des relativen Alterseffekts auf die Chancengerechtigkeit sind ernst zu nehmen. Es stellt sich die Frage, warum nicht wieder generell ein späterer Schuleintritt ins Auge gefasst wird.

 

In diesem Zusammenhang wird jeweils auf das HarmoS-Konkordat verwiesen, das den Stichtag für den Eintritt in den Kindergarten auf den 31. Juli gelegt hat und der für die Beitrittskantone verbindlich ist. Eltern wiederum können ihre Kinder zurückstellen lassen. Die Verfahren und Richtlinien hierzu sind kantonal geregelt. In mehreren Kantonen können die Erziehungsberechtigten selbstständig entscheiden, ob sie ihr Kind ein Jahr später in den Kindergarten schicken wollen.

 

In Basel-Stadt wurde per Schuljahr 2021/22 ein erleichtertes niederschwelliges Rückstellungsverfahren eingeführt. Der Grund ist m.E. nachvollziehbar. Rückstellungen ganz ohne Hürden können unerwünschte Nebeneffekte haben. Bildungsökonomische Studien belegen: Je mehr Mitsprache der Eltern, desto höher ist der Anteil später eingeschulter Kinder, weil Eltern den Alterseffekt kennen. Je höher aber der Anteil später eingeschulter Kinder wird, desto mehr leidet die Chancengerechtigkeit, weil die jüngeren Kinder umso mehr unter Druck stehen und mit zunehmend älteren Kindern in der gleichen Klasse verglichen werden. Kommt dazu, dass ein Teil der «spätgeborenen» nicht zurückgestellten Kinder einer Klasse, nicht oder bloss knapp bereit für den Kindergarten sind. Dies in Bezug auf ihren kognitiven, emotionalen oder sozialen Entwicklungstand.

 

Die Tatsache jedenfalls, dass Eltern auch in HarmoS-Kantonen vermehrt «frei» entscheiden können, ob sie ihr Kind zurückstellen wollen, unterwandert gewissermassen den Entscheid des HarmoS-Konkordats.

 

Angesichts der Tatsache, dass sich immer mehr Eltern für einen späteren Eintritt in den Kindergarten entscheiden und damit der vom HarmoS-Konkordat festgelegte Stichtag der Erreichung des 4. Altersjahrs vom 31. Juli längst nicht mehr für alle Kantone und alle Kinder gilt und angesichts der Tatsache, dass damit das Ideal der Chancengerechtigkeit einen Dämpfer erfährt, bitte ich den Regierungsrat folgende Fragen zu beantworten:

 

  1. Wie beurteilt der Regierungsrat grundsätzlich die Gefahr einer Beeinträchtigung der Chancengerechtigkeit bezgl. des relativen Alterseffekts, die aufgrund von Rückstellungen hervorgerufen wird?
    In diesem Zusammenhang - wie beurteilt der Regierungsrat den Alterseffekt in Bezug auf den späteren Lernerfolg der Kinder und deren Schullaufbahn insgesamt bis hin zur Entscheidung bezgl. beruflicher Grundbildung resp. weiterführenden Schulen?

  2. Welche Optionen kann der Regierungsrat nutzen resp. welche Massnahmen müssen ergriffen werden, um den Stichtag für den Eintritt in den Kindergarten wieder z.B. auf den 30. April zu verlegen und würde der Regierungsrat dies unterstützen? Falls nicht, warum?

  3. Der Förderbedarf und die entsprechenden Massnahmen an der integrativen Schule nehmen zu. Sieht der Regierungsrat hier einen Zusammenhang mit der Vorverlegung des Stichtags für den Kindergarteneintritt?

  4. Seit dem Jahr 2016 nehmen die Abklärungen beim Schulpsychologischen Dienst stark zu. Sieht der Regierungsrat einen Zusammenhang mit der Vorverlegung des Stichtags für den Kindergarten auf den 31. Juli?