Mittwoch, 10. Mai 2023

Motion betreffend Erlass eines Whistleblowing Gesetzes

Während Whistleblower in der Europäischen Union durch die EU-Hinweisgeberrichtlinie einen besonderen Schutz geniessen, haben sie in der Schweiz nach wie vor einen schweren Stand. Wenn sie illegales oder unethisches Verhalten melden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies zu ihrem persönlichen Nachteil führen kann.

Die EU-Richtlinie sieht vor, dass den Hinweisgebenden die Möglichkeit geboten werden muss, ihre Meldung elektronisch über ein verschlüsseltes Online-System sowie mündlich per Telefon, jedoch in jedem Fall anonym und sicher zu platzieren. In der Schweiz wurde der letzte Gesetzesvorschlag des Bundesrats mit dem Namen «Schutz bei Meldung von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz» (13.094) im März 2020 vom Nationalrat abgelehnt. Auf kantonaler Ebene bestehen jedoch Bestrebungen, den Schutz dieser Personen zu verbessern, zum Beispiel durch das Genfer Whistleblowing-Gesetz: «Loi sur la protection des lanceurs d’alerte au sein de l’Etat (LPLA) (12261)», das im März 2022 in Kraft getreten ist.

Basel-Stadt regelt das Whistleblowing in einem einzigen Artikel im Personalgesetz. Gemäss §19a sind Kantonsangestellte berechtigt, der kantonalen Ombudsstelle Missstände zu melden. Zulässig sind nur Meldungen, die in gutem Glauben erfolgen. Zulässige Meldungen verstossen nicht gegen die Verschwiegenheitspflicht und stellen keine Amtsgeheimnisverletzung im Sinne von Art. 320 Strafgesetzbuch dar. Mitarbeitende dürfen aufgrund von zulässigen Meldungen im Anstellungsverhältnis nicht benachteiligt werden. Weiter wird statuiert, dass der Regierungsrat die Einzelheiten regeln würde.

Die diesbezügliche Verordnung des Regierungsrats sieht für Meldungen ein Verfahren bei der Ombudsstelle vor, jedoch ohne dass klar wäre, wie dieses Verfahren exakt ausgestaltet ist. Weiter wird zwar statuiert, dass Benachteiligungen aufgrund von zulässigen Meldungen nicht erfolgen dürfen und wer von einer solchen betroffen ist, deren Beseitigung beantragen kann. Anders als in den Kantonen Genf und Zürich oder beim Bund ist die Meldestelle des Kantons Basel-Stadt aber nicht über ein verschlüsseltes Online-System erreichbar. Anonyme Meldungen und Korrespondenz mit der Meldestelle sind nicht möglich.

Die aktuelle Gesetzgebung garantiert nach Auffassung der Unterzeichnenden den Schutz von Whistleblowern deshalb nur ungenügend. Zudem sollten auch Personen, die für die grossen öffentlichen rechtlichen Anstalten des Kantons tätig sind, die Möglichkeit haben, Missstände zu melden.

Weiter erachten die Unterzeichnenden die Ombudsstelle, die primär vermittelnd und nicht als Kontroll- oder Aufsichtsorgan aufgestellt ist, nicht als geeignete Meldestelle.

Die Unterzeichnenden halten des deshalb auch für zielführend, dass eine separate Meldestelle geschaffen wird, die man unter Umständen bei der Finanzkontrolle angliedern könnte.

Aus diesem Grund fordern die Motionäre den Regierungsrat auf, dem Grossen Rat innert zwei Jahren einen Entwurf für ein Whistleblowing-Gesetz vorzulegen. Dies möglichst nahe angelehnt an den nachfolgenden Entwurf, der sich einerseits am obgenannten neuen Genfer Gesetz orientiert, andererseits aber auch Aspekte der Zürcher Regelung aufnimmt.

Whistleblowing Gesetz (Entwurf) Art. 1 Zweck

1 Das vorliegende Gesetz hat zum Ziel, innerhalb des Kantons die Mechanismen zum Schutz von Whistleblowern umzusetzen.

2 In diesem Rahmen soll dieses Gesetz die Behandlung von Meldungen über Unregelmässigkeiten und den Schutz von gutgläubigen Whistleblowern gewährleisten.

Art. 2 Anwendungsbereich

Das vorliegende Gesetz gilt für Angehörige : a) der kantonalen

b) des Grossen Rates; c) der Judikative;
d) der Universität Basel

Art. 3 Definition

1 Ein Whistleblower im Sinne dieses Gesetzes ist eine Person, die in gutem Glauben und zur Wahrung des öffentlichen Interesses auf der Grundlage eines begründeten Verdachts seiner Hierarchie oder jeder anderen in diesem Bereich zuständigen Stelle Unregelmässigkeiten gemeldet hat, die bei der Ausübung seiner Aufgaben im Zusammenhang mit den Tätigkeiten oder dem Personal der diesem Gesetz unterliegenden Behörden oder Institutionen auf rechtmässige Weise festgestellt wurden.

 

Verwaltung, der Gerichtsbehörden und derjenigen selbständigen öffentlich-rechtlichen

 

Anstalten des Kantons, die der Oberaufsicht des Grossen Rats unterstehen.

 

2 Eine Meldung erfolgt in guten Treuen, wenn die meldende Person den Inhalt Ihrer Meldung für wahr halten darf,

 

oder es für Sie gute Gründe gibt, weshalb Sie das Gemeldete für wahrscheinlich halten darf.

Art. 4 Vorabinformation und -beratung

1 Es wird eine kantonale Meldestelle geschaffen.
2 Die kantonale Meldestelle informiert, berät und orientiert potenzielle Whistleblower auf vertraulicher Basis.

Art. 5 Meldung

1 Die Meldung kann persönlich oder anonym erfolgen und die Identität des Whistleblowers wird vertraulich behandelt.
2 Eine Meldung bei der zuständigen Stelle verletzt Sie das Amtsgeheimnis gemäss Art. 320 StGB nicht, sofern diese Meldung in guten Treuen erfolgt.

3 Die Meldung durch einen Whistleblower kann bei der vorgesetzten Dienststelle, der kantonalen Meldestelle oder über eine digitalen Meldeplattform erfolgen.
4 Bei einer Meldung über die digitale Meldeplattform kann mit der Melderin oder dem Melder unter vollständiger Wahrung der Anonymität kommuniziert werden.

5 Der Whistleblower kann ein mutmasslich strafrechtlich relevantes Verhalten direkt bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft melden.

Art. 6 Bearbeitung der Meldung

1 Die mit einer Meldung befasste Stelle untersucht den Fall, um den Sachverhalt festzustellen. Ist diese Stelle nicht der Arbeitgeber, so übermittelt sie ihm ihre Schlussfolgerungen.
2 Der Arbeitgeber ergreift die erforderlichen Massnahmen, um die Unregelmässigkeiten zu beenden. Er ergreift gegebenenfalls auch Massnahmen gegen denjenigen, der die Verstösse begangen hat.

Art. 7 Folgen der Meldung

1 Die Meldung eines Whistleblowers darf für diesen weder berufliche Nachteile zur Folge haben noch eine Verletzung seines Amtsgeheimnisses, seiner Treue-, Sorgfalts- oder Schweigepflicht gegenüber dem Arbeitgeber darstellen.
2 Sie stellt keinen Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, die Entlassung oder eine andere Disziplinarstrafe dar.

3 Die meldende Person hat Anspruch darauf, über die Art der Erledigung der Meldung orientiert zu werden.

Art. 8 Schutz

1 Der Schutz von Whistleblowern und Personen, die Mitglieder des in Artikel 2 dieses Gesetzes genannten Personengruppe sind und Zeugen von Unregelmässigkeiten geworden sind (im Folgenden: Zeugen), wird vom Arbeitgeber gewährleistet.
2 Der Whistleblower und die Zeugen können sich zu ihrem Schutz auch an die kantonale Meldestelle wenden.

3 Die mit der Meldung befasste Stelle informiert die Whistleblower und die Zeugen über ihre Rechte, insbesondere in Bezug auf die in diesem Gesetz vorgesehenen Schutzmechanismen. Gegebenenfalls bestätigt die mit der Meldung befasste Stelle der für den Schutz zuständigen Stelle den Status des Whistleblowers oder des Zeugen.

Art. 9 Pflichten des Arbeitgebers

1 Der Arbeitgeber orientiert die Mitarbeiter:innen über die Möglichkeit einer Meldung von Unregelmässigkeiten und über den Schutz von Whistleblowern und Zeugen ein.
3 Er schult die Vorgesetzten in Bezug auf die Verfahren im Zusammenhang mit der Meldung von Missständen und den Schutz von Whistleblowern und Zeugen.

4 Er informiert sein Personal über hängige Verfahren im Zusammenhang mit der Meldung von Missständen und dem Schutz von Whistleblowern und Zeugen.

Art. 10 Inkrafttreten

Die Regierung legt das Datum des Inkrafttretens dieses Gesetzes innerhalb eines Jahres nach seiner Verabschiedung fest.

Art. 11 Übergangsbestimmung

Die Behörden oder Institutionen haben ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes sechs Monate Zeit, um die Meldestelle zu benennen nehmen oder eine andere Stelle im Sinne von Artikel 5 Absatz 3 dieses Gesetzes zu benennen, die Warnmeldungen entgegennimmt.

 

4 Werden Sie aufgrund Ihrer in guten Treuen erstatteten Meldung auf dem Rechtsweg belangt oder erweist sich zur Wahrung Ihrer Rechte gegenüber Dritten die Beschreitung des Rechtsweges als notwendig, so übernimmt

 

der Kanton die Kosten des Rechtsschutzes.

Christian von Wartburg, Johannes Sieber