Anders sieht das der Autor. Er versteht die Aufforderung zur Erklärung der Verwendung einzelner Wörter in der Erzählstimme des Protagonisten seiner Geschichte als Einschüchterungsversuch und befürchtet negative Folgen für die Kunstfreiheit im Allgemeinen und für die Literatur im Speziellen. SRF-Literaturclub-Moderatorin Nicola Steiner spricht von einer Zumutung, dass der Autor sowas erklären muss. Mindestens ein Mitglied der involvierten Fachjury ist nach publik werden des Vorfalls ausgetreten.
In diesem Zusammenhang bitte ich den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:
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Ist die Kunstfreiheit in Basel-Stadt garantiert? (Art. 21 der Bundesverfassung)
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Ist der Regierungsrat der Ansicht, dass es Gründe gibt, die Kunstfreiheit einzuschränken? Falls ja, welche sind das?
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Teilt der Regierungsrat die Ansicht des Autors, dass im oben beschriebenen Vorgehen ein Zensor (Abteilung Kultur) tätig wurde und es sich um Zensur handelt?
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Anerkennt der Regierungsrat, dass sich solche Aufforderungen zur Erklärung zumindest in einem Graubereich der Zensur bewegen? In dem Sinne, dass die Aufforderungen bei Autor:innen eine selbstzensierende Wirkung auf ihr Kunstschaffen haben können? Stichwort: Schere im Kopf?
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Was erwartet der Regierungsrat von solchen Abklärungen? Aus welchem Grund und mit welchem Ziel werden sie vorgenommen? Soll den Kunstschaffenden eine Selbstreflexion nahegelegt werden? Falls ja, mit welchem Ziel und hält der Regierungsrat das für angebracht?
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Ist der Regierungsrat der Ansicht, dass Literatur frei von Wörtern sein soll, die Duden mit «hat diskriminierende Bedeutung(en)» klassifiziert? Gibt es andere Wörter, die in der Literatur nicht verwenden werden dürfen? Falls ja: welche und warum?
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Ist der Regierungsrat der Ansicht, dass es möglich oder zumindest erstrebenswert sei, beispielsweise einen literarischen Dialog von zwei Nationalsozialisten im zweiten Weltkrieg ohne Wörter zu verfassen, die Duden mit «hat diskriminierende Bedeutung(en)» klassifiziert?
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Verfolgt der Regierungsrat mit der Kulturförderung gesellschaftspolitische Ziele, die sich steuernd oder einschränkend auf die Kunstfreiheit auswirken? Falls ja, welche sind das? Wie wird gesteuert?
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Welche Rolle spielt das Geschlecht von Kunstschaffenden bei Fördergesuchen? Werden Werke anonymisiert beurteilt? Also ohne Kenntnisse zur kunstschaffenden Person, so wie das aus anonymisierten Bewerbungsverfahren auf ausgeschriebene Arbeitsstellen bekannt ist? Falls nein warum nicht?
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Sind andere nichtveränderbare Persönlichkeitsmerkmale von Kunst- und Kulturschaffenden relevant für die Beurteilung ihrer Gesuche? Falls ja, welche?
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Basierend auf welchen Angaben finden diese Merkmale Relevanz beim Entscheiden? Sind die Persönlichkeitsmerkmale bei Gesuchen durch die Kunstschaffenden zu deklarieren (Selbstdeklaration) oder werden sie angenommen (Zuschreibung)?
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Welches ist die entscheidende Instanz bei Fördergesuchen. Ist es die Fachjury oder ist Abteilung Kultur? Welche Gründe führen zu einem Entscheid, der sich von der Beurteilung durch die Fachjury unterscheidet?
13. In welchem Ausmass, also in welchem prozentualen Anteil werden Fördergesuche im Bereich Kultur juristisch abgeklärt? In welchen Kultursparten gibt es eine Häufung von juristischen Gutachten zu Gesuchen und warum? Welchen Einfluss haben juristische Gutachten auf den Förderentscheid? Wie hoch waren die Kosten für juristische Gutachten im Jahr 2022?
1 https://www.nzz.ch/feuilleton/so-etwas-wie-zensur-alain-claude-sulzer-und-das-z-wort-ld.1742344 2 https://bajour.ch/a/clj4o4i2w15378832siyy8jcz9gd/podium-zum-fall-sulzer-groegel
Johannes Sieber