Mittwoch, 15. März 2023

Interpellation betreffend Digitalisierung im Gesundheitswesen - Plattformbasierte Applikationen für die Gesundheitsregion Basel anstatt teure Softwarebeschaffung für einzelne Spitäler

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen kommt trotz aller Bemühungen nur schleppend voran [1]. Die Politik hat die Dringlichkeit einer effizienten Digitalisierung erkannt. Das zeigen Interpellationen und schriftliche Anfragen zum Stand des Elektronischen Patientendossiers (EPD) [2] und anonymisierten Forschungsdaten im Kanton Basel-Stadt [3] und eine hängige Standesinitiative [4] zur Schaffung von einheitlichen Datenstandards im Gesundheitswesen.

Insbesondere letztere hält fest, dass «Die Bedeutung von strukturierten Gesundheitsdaten für Lehre und Forschung, Gesundheitsversorgung und Governance (...) kaum überbetont werden [kann]». Die Wichtigkeit eines einheitlichen, datenbasierten «Gesundheitsdatenökosystems» hat auch die Wirtschaft mit der Gründung des Pilotprojekts «Bâle Dat» durch die Handelskammer beider Basel erkannt [5]. Dieses Projekt treibt die Idee eines «Gesundheitsdatenökosystems» voran; in diesem stehen alle medizinischen Daten aufgrund eines einheitlichen Datenmodells allen Akteuren und Institutionen des Gesundheitssystems einfach austauschbar zur Verfügung. Dadurch werden Projekte wie das EPD, der Austausch von Daten mit dem Krebsregister aber auch Verlegungen und Behandlungen von Patienten sicherer und effizienter. So ein System muss nicht Wunschdenken bleiben, sondern findet beispielsweise bereits am schwedischen Karolinska Institutet klinische Anwendung. Dort wird auf Basis eines offenen Datenformats (openEHR) die datenbasierte Digitalisierung vorangetrieben. Auch in Basel kommt openEHR bereits mit Erfolg im Kontext des Projekts “Personalized Health Basel” im BereichKrebsdatenerfassung und -weiterleitung ans Krebsregister prototypisch zur Anwendung.

Die derzeitige Datenerhebung und Dokumentation in den Spitälern behindert die Entstehung eines Gesundheitsdatenökosystems. Die medizinische Dokumentation findet in Spitälern über Klinikinformationssysteme (KIS) statt. Die Applikationslandschaft ist jedoch aktuell sehr heterogen und generiert Daten, welche in digitalen Aktenschränken der Spitäler verstaut sind und sich nur schwer zwischen den Institutionen austauschen lassen. Paradebeispiel dafür sind die aus der Coronapandemie bekannten gefaxten Testresultate. Zudem führt der Datensalat zu massiven Zeit- und Effizienzverlusten im klinischen Alltag für die bereits geplagte Pflege- und Ärzteschaft und es droht langfristig ein Abstieg des Forschungs- und Wirtschaftsstandortes Basel.

Aktuell wird im Universitätsspital Basel ein neues Klinikinformationssystem (KIS) evaluiert. Zur Wahl stehen der Schweizer Marktführer Cistec mit dem Produkt KISIM und der Marktführer in den USA Epic Corporation Systems mit dem Produkt Epic.

Die Einführung des amerikanischen Produktes Epic hat gemäss Medienberichten im Kantonsspital Luzern 2020 über 70 Millionen Franken gekostet. Die geplante Einführung im Inselspital Bern mit Aufschaltung 2023 wird mit 83 Millionen Franken veranschlagt. Diese Beträge beziffern lediglich die Lizenzkosten. Die Einführungskosten sind noch viel höher. Die Investitionshöhe wäre im Universitätsspital Basel wohl vergleichbar.

Insgesamt ist aber nicht klar, ob die evaluierten Applikationen dem Anspruch eines datenbasierten «Gesundheitsökosystems» entsprechen, da von Herstellerseite die Daten bisher nicht in einem interoperablen Datenformat zur Verfügung gestellt werden und es ausserdem für eine solche Bereitstellung von interoperablen Daten keine gesetzgeberische Verpflichtung gibt.

In diesem Zusammenhang bitte ich den Regierungsrat um die Beantwortung der folgenden Fragen:

  1. Ist die Regierung über die aktuell laufende Evaluation der genannten KIS am Universitätsspital als grösstes öffentliches Spital der Nordwestschweiz im Bilde? Wie schätzt sie die Tragweite dieses Entscheides in Bezug auf die Gesundheitsregion Basel ein?

  2. Als wie sinnvoll erachtet die Regierung die Tatsache, dass das Universitätsspital Epic evaluiert, während im UKBB und KSBL bereits KISIM eingeführt worden ist und die UPK dessen Einführung plant?

  1. Wie schätzt die Regierung das Potenzial eines neuen KIinikinformationssystems im USB (=einer primären Quelle der Datenerhebung) im Hinblick darauf ein, die Idee eines Gesundheitsökosystems in eine zukunftsfähige Richtung zu lenken?

  2. Stimmt die Regierung zu, dass eine solche Investition in Millionenhöhe das Potential hätte, das gesamte Gesundheitsdatenökosystem in der Region Basel zu fördern, anstatt dass einzelne Applikationen für ein einziges Spital gekauft werden? Falls nein, weshalb nicht? Falls ja, was kann der Regierungsrat unternehmen, um die Förderung eines Gesundheitsdatenökosystems in der Region Basel sicherzustellen?

  3. Ist die Regierung der Ansicht, dass der im Projekt “Personalized Health Basel” verwendete offene Standard openEHR ein Weg in die Richtung eines Gesundheitsdatenökosystems wäre und entsprechend gefördert werden sollte? Falls nein, weshalb nicht?

  4. Wie schätzt die Regierung eine Verpflichtung von Softwareherstellern in öffentlichen Spitälern ein, Daten in einem einheitlichen und öffentlichen Datenformat (z.B. openEHR) zu speichern, resp. Schnittstellen basierend auf solchen offenen Standards zu bieten? Was sind aus seiner Sicht die Alternativen dazu?

  5. Gibt es Bemühungen der Kantone z.B. im Rahmen der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) auf ein schweizweites Gesundheitsdatenökosystem hinzuarbeiten?

Referenzen:

  1. Roche und Co. warnen Daten-Phobie zeigt bereits negative Folgen für den Standort Basel. Basler Zeitung, 15.11.2022. https://www.bazonline.ch/daten-phobie-zeigt-bereits-negative- folgen-fuer-den-standort-basel-175324901863

  2. Schriftliche Anfrage Tobias Christ vom 4. Mai 2022 «Stand der Einführung des elektronischen Patientendossiers».

  3. Interpellation Lydia Isler-Christ vom 7. September 2022 «E-Health – Elektronisches Patientendossier und anonymisierte Patientendaten senken Kosten im Gesundheitswesen».

  4. Standesinitiative Erich Bucher vom 23.06.2021 «Die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens vorantreiben – datenbasiertes Ökosystem für Forschung und Gesellschaft entwickeln».

  5. Pilotprojekt angelaufen - Basel sammelt Gesundheitsdaten. Basler Zeitung, 06.02.2023. https://www.bazonline.ch/basel-sammelt-gesundheitsdaten-606145735785  

 Tobias Christ